ArtTwo. – dem Kunstblog von Iris Haist und Pia Littmann – erschien ein wunderbarer Artikel über mich. Danke Iris für den schönen Bericht!
ArtTwo kann hier besucht werden – aber auch im Facebook.
Und hier nun der Artikel als PDF zum downlaod:
Nicole Malek – Ein Leben für die Analogfotografie – Kunstblog von Iris Haist und Pia Littmann
Hier der ganze Artikel – vielen Dank Iris!
KUNST IM ALLTAG · 04. Juni 2018
Nicole Malek – Ein Leben für die Analogfotografie
von Iris Haist
Letztes Jahr habe ich bei einem „Curating Photography“ Workshop bei Kristin Dittrich an der Shift School in Dresden teilgenommen. Das Beste neben der quirlig-ambitionierten Kursleiterin, den edlen Fotobüchern und dem Indischen Essen waren die anderen Teilnehmer. Selten habe ich an nur einem Wochenende so viele tolle und interessante Menschen getroffen. Zwei von ihnen, ein Ehepaar, versprühte von Anfang an eine Atmosphäre von Fotobegeisterung und Rock’n’Roll: Claus Peter, von allen nur kurz CP genannt, und Nicole Malek. In diesem Text soll es allerdings nur um die Dame des Hauses, die Fürstin der Analogfotografie, gehen.
Ein Lob auf die Entschleunigung
Die Künstlerin Nicole Malek widmet sich in ihren Werken meist der Entschleunigung. Sie verweigert sich der immer bunter, immer größer und immer lauter werdenden Instagram-Kunst und sucht stillere Motive, die Zeit für Muse lassen, Zeit zum Ausatmen und Reflektieren. Bei diesem Antrieb ist es nur konsequent, dass sie niemals mit der Digitalkamera fotografiert, sondern stets analog. Im Haus meiner beiden Freunde finden sich gefühlt alle Arten von Fotoapparaten: alte und neue, große, kleine und winzige, anonyme und namentragende. Für einige dieser Kameras fertigt Nicole sogar die Filme selbst an, weil sie entweder sehr schwer zu bekommen, oder sehr teuer sind – oder eben beides.
Malek schickt die oft ungewöhnlichen Formate nicht ins Fotostudio, sondern entwickelt, belichtet und druckt die Fotos selbst. Und wenn ich „drucken“ sage, meine ich nicht das Drucken auf einem Laser- oder Tintenstrahldrucker, nein, auch dieser Schritt ist bei ihr Handarbeit. Dadurch nimmt ihre Fotokunst den größten Teil ihres Lebens und ihrer Umwelt ein, denn als Ort der Kunstausübung dienen ihr neben ihrem Atelier auch Küche, Bad und Wohnbereich. Die Leidenschaft, mit der die Künstlerin jeden einzelnen Abzug anfertigt, zeigt sich in den fertigen Werken. Malek selbst beschreibt ihre Faszination selbst mit folgenden Worten:
„Der chemische Prozess, der Geruch von Fixierer an den Händen und die Limitiertheit von Bildern bedeutet für mich „echte“ Fotografie. Die Möglichkeit zu scheitern, Fehler zu machen und dass die Ergebnisse nie vorhersehbar sind, machen für mich die Bilder so wertvoll.“
Im Fokus
Als Motive dienen Menschen und Tiere, die einen eher stillen und langsamen, oder besser entschleunigten und beruhigten, Charakter besitzen. Es sind Szenen, ohne einen Bezugspartner innerhalb des Bildes. Der Dialog findet zwischen dem Dargestellten und dem Betrachter statt. Sie porträtiert Freunde und Verwandte, Menschen, die ihr wichtig sind sowie Tiere und Gegenstände, die sie aufgrund irgendeiner Besonderheit faszinieren – und diese Intimität berührt den Betrachter. Mit ihrer Kunst kreiert Malek Bilder einer Rückbesinnung auf die wichtigen Dinge im Leben: Freundschaft, Liebe und Glück.
Ein echter „Nicole-Iris“
Mein Freund und ich hatten vor kurzem das Glück, der Fotokünstlerin über die Schulter schauen und mit ihr zusammen das Verfahren der Kallitypie lernen zu dürfen. Dafür standen wir erst lange in einer ihrer zwei Dunkelkammern und lernten, dass Fotografie nicht nur Optik und Ästhetik, sondern ebenso Physik und Chemie bedeutet. Da ich Fotografie zuvor besonders von der anderen Seite aus – der kritisch betrachtenden, interpretierenden und vergleichenden Kunsthistorikerwarte – kannte, war es für mich wie das Betreten einer ganz eigenen, faszinierenden, aber auch dunklen und im Sommer sehr warmen Welt.
Mit Malek zusammen fertigte ich mit technisch gesehen fast völliger Ahnungslosigkeit sogar eine eigene Kallitypie nach einem von ihr aufgenommenen Negativ mit sehr fotogenen Schnecken an. Zuerst wird ein Blatt Papier mit einer chemischen Substanz bestrichen, dann zusammen mit dem Negativ belichtet und zuletzt nimmt das Blatt verschiedene Bäder in Entwicklerflüssigkeit, in Wasser, in Toner, in Fixierer und in Zitronensäure, dass ich kurzfristig an die Anwendungen während einer Kur denken musste. Und voilà, ein echter „Nicole-Iris“ entstand.
Unter Menschen: Spy- und Stiching-Photography
Malek ist sehr aktiv, eine Getriebene auf der Suche nach für sie lohnenswerten Motiven, die sie einfangen und für sich interpretieren, sich aneignen kann. So entstand auch die Idee zu einem Street-Photography-Projekt auf Londons Straßen: Mit einer Minox Spycam ausgestattet, streift Malek durch die Weltstadt, immer auf der Suche nach einem Moment, der sie bewegt. Es sind oft nur Sekundenbruchteile, in welchen die von ihr eingefangenen Situationen Bestand hatten und doch schwingt eine Ruhe darin mit, die diese Flüchtigkeit nicht erahnen lassen. Noch mehr: Sie bannt diesen Moment, mit all seinen Gefühlen und seiner Vielschichtigkeit für die Ewigkeit in ihre Werke.
Dazu ein kleiner Exkurs: Dieselbe Minox, die Malek in London benutzte, hat eine Gastrolle im Film „James Bond 007 – Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ von 1963. Der adrette Spion hält die kleine Knipse jedoch leider falsch herum und fotografiert so höchstens sein eigenes Auge … Ob ihm das wohl etwas nützt?
Die so entstandenen Fotografien belässt Malek jedoch nicht im Rohzustand, sondern nimmt für sie wichtige Veränderungen und Ergänzungen vor. Bunte Wollnähte zeichnen die Grundlinien des Motivs und die Gedanken der Künstlerin nach. Hinzu kommen bruchstückhafte Textfragmente aus Büchern, Zeitschriften oder auf der Schreibmaschine getippten Zeilen oder Zeichnungen und Drucke, die eine weitere Ebene zur Deutung der Arbeiten anbieten. Damit vereinnahmt Malek diese Werke gleichsam und macht sie zu ganz persönlichen Unikaten.
„Fiona“ und „Albert“
Da ich den wichtigsten Dingen in meinem Leben ebenfalls Namen gebe, um meine Verbundenheit mit ihnen anzuzeigen – mein Auto etwa heißt Marie – kann ich es sehr gut verstehen, dass auch Malek ihre Lieblingsfotoapparate nach menschlichem Vorbild benennt. Eine alte, relativ leicht zu transportierende Großformatkamera aus dem 19. Jahrhundert nennt sie zum Beispiel Fiona.
Besonders eindrücklich sind ihre Motive in Kollodium-Nassplatten-Technik, erfunden 1851 von Frederick Scott Archer und Gustave Le Gray, auf handgefertigtem Schwarzglas. Als Negative belassen, werden sie zu Unikaten – genau, wie auch die dargestellten Personen für die Künstlerin einzigartig und wertvoll sind. Ihre Kamera, die stilecht ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert stammt, nennt sie liebevoll Albert. Die Motive werden durch diese Technik wie unter einem dünnen Film aus Wasser präsentiert, was ein Vertiefen in die Bildbetrachtung ermöglicht. Eine Ebene hinter dem Sichtbaren wird suggeriert: eine Wahrheit unter der Oberfläche des Sichtbaren. Damit wird der Betrachter zum Blick in sich selbst hinein gebracht und zu seinem eigenen Sitz im Leben befragt.
Im Gegensatz zu Fiona ist Albert sehr groß und schwer, in aufgestelltem Zustand höher als ich und auf jeden Fall schwerer als Pia, und kann nur vor Ort in Maleks Atelier verwendet werden. Beim Erstellen von Fotoplatten mit diesem Gerät ist zudem auch vom Fotografen großer körperlicher Einsatz verlangt. Alleine die Holzkassetten mit den Glasplatten sind eine Herausforderung. Dazu kommt die Störanfälligkeit der Technik, die oft zahlreiche Wiederholvorgänge erfordert. Bis zum Beispiel ein oder zwei Nassplatten geglückt sind, ist mindestens ein Tag vergangen und die zierliche Künstlerin völlig erschöpft – erschöpft aber glücklich.